Tafel 17 und 18 der Bildtafelausstellung “Fernmeldetruppen – Gestern und heute”

Nach Vor­stel­lung der Bild­ta­fel zum Ein­satz der Tele­gra­phen­trup­pe in Nord-Chi­na (1900/01) und in Süd­west-Afri­ka (1904 — 1908) wird die Serie zu o.a. Bild­ta­fel­aus­stel­lung mit der Vor­stel­lung der Bild­ta­feln zu Mobil­ma­chung und Ein­satz der Tele­gra­phen­trup­pe bei Beginn des 1. Welt­kriegs (1914) fort­ge­setzt.  

Oberst a.D. Peter Uffel­mann

Noch weni­ge Tage vor Beginn des 1. Welt­krie­ges fand Ende Juli 1914 in Thü­rin­gen eine Funk­übung mit allen Tele­gra­phen-Batail­lo­nen statt, um den Ein­satz der schwe­ren und leich­ten Feld-Funk­sta­tio­nen im Rah­men des Ein­sat­zes der Kaval­le­rie­di­vi­sio­nen zu klä­ren. Am 26. Juli wur­de die­se Funk­übung plötz­lich abge­bro­chen, um noch letz­te Maß­nah­men für eine zunächst nur even­tu­el­le Mobil­ma­chung vor­zu­be­rei­ten, die dann ab 1. August 1914 in die tat­säch­li­che Mobil­ma­chung für den deut­schen Angriff durch Bel­gi­en und auf Frank­reich sowie für die Ver­tei­di­gung von Ost­preu­ßen gegen die rus­si­sche Narew- und Nje­men-Armee über­ging.   

Zur Ein­nah­me der Kriegs­glie­de­rung mach­te die Tele­gra­phen­trup­pe vor allem 38 Armee- und Korps-Tele­gra­phen- bzw. ‑Fern­sprech­ab­tei­lun­gen aus den Tele­gra­phen­kom­pa­nien mobil, zusätz­lich 11 Kaval­le­rie-Nach­rich­ten­ab­tei­lun­gen und 18 leich­te Funk­sta­tio­nen für die Kaval­le­rie­di­vi­sio­nen sowie 30 schwe­re Funk­sta­tio­nen für die Armee­ober­kom­man­dos und Kaval­le­rie­di­vi­sio­nen aus den Funk­kom­pa­nien. 
Mit Aus­lö­sung der Mobil­ma­chung wur­den dazu die Tele­gra­phen-Batail­lo­ne auf­ge­löst. Die Tele­gra­phen-Kom­pa­nien bil­de­ten die Per­so­nal­stäm­me für die vom jewei­li­gen Batail­lon auf­zu­stel­len­den Armee- bzw. Korps-Tele­gra­phen­ab­tei­lun­gen sowie die Funk­kom­pa­nien für die schwe­ren und leich­ten Funk­sta­tio­nen. 

Die Per­so­nal­stäm­me der Tele­gra­phen­kom­pa­nien ver­leg­ten am 2. Mobil­ma­chungs­tag ohne Aus­rüs­tung und Bewaff­nung mit der Eisen­bahn zu ihren Mobil­ma­chungs­or­ten – in der Regel Stand­or­te von Pio­nier-Batail­lo­nen, wo die Aus­rüs­tung sowie Bewaff­nung lager­te und wo nach Ein­tref­fen der Reser­vis­ten die end­gül­ti­ge Auf­stel­lung der jewei­li­gen Tele­gra­phen-Abtei­lung erfolg­te. Die Funk­sta­tio­nen wur­den dage­gen an den Frie­dens­stand­or­ten der Tele­gra­phen-Batail­lo­ne mobil­ge­macht. Pro Tele­gra­phen-Batail­lon wur­de dar­über hin­aus an den Frie­dens­stand­or­ten eine Ersatz­kom­pa­nie gebil­det.

Sie­he Bild­ta­fel 17, links unten: Die Mobil­ma­chungs­or­ga­ni­sa­ti­on der Tele­gra­phen­trup­pen — Prin­zip­sche­ma am Bei­spiel des Tele­gra­phen-Batail­lons Nr. 2


Die Batail­lons­kom­man­deu­re wur­den in ihrer Mobil­ma­chungs­ver­wen­dung in der Regel als „Stabs­of­fi­zier der Tele­gra­phen­trup­pen“ („Sto­tel“) eines Armee­ober­kom­man­dos und die Kom­pa­nie­chefs der Tele­gra­phen­kom­pa­nien als Kom­man­deu­re der von ihnen zu auf­zu­stel­len­den Tele­gra­phen-Abtei­lun­gen ein­ge­setzt. Die Kom­pa­nie­chefs der Funker­kom­pa­nien wur­den dage­gen Funker­kom­man­deu­re bei den Armee­ober­kom­man­dos und die Zug­füh­rer wur­den Füh­rer der schwe­ren sowie leich­ten Funk­sta­tio­nen.

Füh­rer einer die­ser Funk­sta­tio­nen beim Höhe­ren Kaval­le­rie­kom­man­do Nr. 1 (= „Kaval­le­rie-Korps“) war 1914 in der Schlacht an der Mar­ne ein gewis­ser Leut­nant Heinz Gude­ri­an, nach Aus­bil­dung und Ver­wen­dung in der Jäger­trup­pe seit 1912 Ange­hö­ri­ger des Tele­gra­phen­ba­tail­lons Nr. 3 und ab Anfang der 1930-er Jah­re einer der Schöp­fer der deut­schen Pan­zer­trup­pe, eben­so wie ein gewis­ser Ober­leut­nant Erich Fell­gie­bel, 1905 als Fah­nen­jun­ker beim Tele­gra­phen­ba­tail­lon Nr. 2 ein­ge­tre­ten und bei Kriegs­be­ginn Aus­bil­der an der Fun­ker­schu­le in Ber­lin-Span­dau sowie ab Anfang der 1930-er Jah­re der Schöp­fer der moder­nen deut­schen Nach­rich­ten­trup­pe, der 1914 als Füh­rer einer leich­ten Funk­sta­ti­on bei der 4. Kaval­le­rie­di­vi­si­on (4. Kav­Div) und in Zweit­funk­ti­on als Funker­kom­man­deur beim Höhe­ren Kaval­le­rie­kom­man­do Nr. 2 (= „Kaval­le­rie-Korps“) ein­ge­setzt war, dem neben der 4. Kav­Div noch die 2. und 9. Kav­Div unter­stellt waren.

Dar­über hin­aus wur­den im Rah­men der Mobil­ma­chung der Tele­gra­phen­trup­pen auf­ge­stellt:

  • 27 Fes­tungs-Fern­sprech- und acht Fes­tungs-Funk­ab­tei­lun­gen mit fünf Groß- und drei Funk-Klein­sta­tio­nen,
  • 44 Fes­tungs-Signal­trupps und drei Bela­ge­rungs-Tele­gra­phen­ab­tei­lun­gen,
  • eine Kraft­wa­gen-Fern­sprech­ab­tei­lung und eine Kraft­wa­gen-Funk­sta­ti­on für das Gro­ße Haupt­quar­tier (Gr.HQu.),
  • der Stab des Chefs der Feld­te­le­gra­phie beim Gr.HQu.,

Am 16. August 1914 ver­leg­te der Gene­ral­stab des Feld­hee­res als 1. Staf­fel des Gr.HQu. von Ber­lin nach Koblenz. Dem Chef der Feld-Tele­gra­phie wur­de dage­gen Bad Ems – Stand­ort des Gene­ral­stabs des Gene­ral­quar­tier­meis­ters und 2. Staf­fel des Gr.HQu. – als Kriegs­un­ter­kunft zuge­wie­sen. Er war inso­fern sowohl orga­ni­sa­to­risch, als auch räum­lich vom Chef des Gene­ral­stabs des Feld­hee­res und von der Ope­ra­ti­ons­ab­tei­lung getrennt.

Bild: Gene­ral­ma­jor Wil­liam Balck, Inspek­teur der Feld­te­le­gra­phie (09.05. — 02.08.1914– 
ab 02.08.1914 Chef der Feld­te­le­gra­phie beim Gr.HQu. (bis 07.12.1914
)

In Koblenz war für den Gene­ral­stab des Feld­hee­res nach­rich­ten­tech­nisch nichts vor­be­rei­tet. Des­halb wur­de – ohne Mit­wir­kung des Chefs der Feld-Tele­gra­phie – bei der Ope­ra­ti­ons­ab­tei­lung kur­zer­hand ein Bekann­ter eines Offi­ziers, der Post­ober­inspek­tor Wil­helm Ohnes­or­ge als „Refe­rent für die tech­ni­schen Ange­le­gen­hei­ten­des Gr.HQu.“ ein­ge­setzt und mit der Her­stel­lung der Fern­sprech­ver­bin­dun­gen zu den Armeen beauf­tragt.

Bild: Post-Ober­inspek­tor/O­berst­leut­nant Wil­helm Ohnes­or­ge – ab 16.08.1914 Refe­rent für die tech­ni­schen Ange­le­gen­hei­ten des Gro­ßen Haupt­quar­tiers (ab 04.08.1915 bis Kriegs­en­de Lei­ter der Tele­gra­phen­di­rek­ti­on beim Gro­ßen Haupt­quar­tier)

Da der Kom­man­deur der inzwi­schen in Koblenz ein­ge­trof­fe­nen Kraft­wa­gen-Fern­sprech­ab­tei­lung des Gr.HQu. aus über­trie­be­ner Geheim­hal­tung kei­ne Auf­ga­be erhielt, ver­an­lass­te die­ser in eige­ner Zustän­dig­keit zumin­dest die Ein­rich­tung einer Fern­sprech­ver­mitt­lung für die O.H.L.

Bild: Die ers­ten Lei­tungs­ver­bin­dun­gen des Gr.HQu. in Koblenz (August 1914)

Die anfäng­li­chen Pro­ble­me bei der Sicher­stel­lung der Lei­tungs­ver­bin­dun­gen für das Gr.HQu. in Koblenz führ­ten am neu­en Stand­ort des Gr.HQu. in Luxem­burg am 02.09.1914 zur Bil­dung eines Feld-Tele­gra­phen­am­tes, eines Fern­sprech-Fern­am­tes und eines Tele­gra­phen-Bau­trupps als eigen­stän­di­ge Dienst­stel­len der O.H.L.; ihre Lei­tung wur­de dem Tech­ni­schen Refe­ren­ten bei der Ope­ra­ti­ons­ab­tei­lung des Gene­ral­sta­bes, Post­in­spek­tor Ohnes­or­ge über­tra­gen. 

Bild: Im Gro­ßen Haupt­quar­tier – Im Vor­zim­mer des Chefs des Gene­ral­sta­bes arbei­ten­de Ordo­nanz­of­fi­zie­re und Schrei­ber. Hier (hin­ten links) stand in den ers­ten Kriegs­ta­gen einer der weni­gen Fern­sprech­ap­pa­ra­te des Gr.HQu.

Aus dem Frie­dens­um­fang der Tele­gra­phen­trup­pe von 550 Offi­zie­ren sowie 5.800 Unter­of­fi­zie­ren und Mann­schaf­ten muss­ten ins­ge­samt 120 — 130 Tele­gra­phen­trup­pen­tei­le auf­ge­stellt wer­den, die nach Mobil­ma­chung einen Umfang von 800 Offi­zie­ren sowie 25.000 Unter­of­fi­zie­ren und Mann­schaf­ten hat­ten. Per­so­nell hat­te sich jedoch der durch stän­di­ge Abga­ben zu Aus­lands­ein­sät­zen in Afri­ka (Dtsch. Süd­west- und Ost­afri­ka, Kamerun,und Togo) sowie für Neu­auf­stel­lun­gen von Tele­gra­phen­trup­pen­tei­len geschwäch­te Bestand an aus­ge­bil­de­ten Unter­of­fi­zie­ren und Mann­schaf­ten noch nicht rege­ne­rie­ren kön­nen, und Per­so­nal­re­ser­ven gab es nicht. Dar­über hin­aus hat­te die schnel­le Ent­wick­lung auf tech­ni­schem Gebiet sowie das zum Teil noch sehr kom­pli­zier­te Gerät eine ein­heit­li­che mate­ri­el­le Aus­stat­tung und Aus­bil­dung ver­hin­dert.

Bild: Ver­tei­lung der mobil­ge­mach­ten Kräf­te und Mit­tel der Tele­gra­phen­trup­pe

Die orga­ni­sa­to­risch-tech­ni­sche Vor­kriegs­ent­wick­lung der Tele­gra­phen­trup­pen stand aller­dings nicht in Über­ein­stim­mung mit den Offen­siv­ab­sich­ten der deut­schen Hee­res­füh­rung, wie sie im soge­nann­ten “Schlief­fen-Plan” zum Aus­druck kamen. So ver­füg­te z.B. jede der 1914 mobil­ge­mach­ten acht deut­schen Armeen ledig­lich über zwei Funk­sta­tio­nen und eine Armee-Tele­gra­phen­ab­tei­lung, die Armee­korps hat­ten je eine Korps-Tele­gra­phen­ab­tei­lung und die 104 deut­schen Divi­sio­nen sowie selb­stän­di­gen Bri­ga­den hat­ten über­haupt kei­ne eige­nen Tele­gra­phen­trup­pen­tei­le.

Bild: Füh­rungs- und Ein­satz­or­ga­ni­sa­ti­on der Tele­gra­phen­trup­pen des deut­schen Feld­hee­res zu Kriegs­be­ginn

Da die Tele­gra­phie – das spä­te­re „Fern­schrei­ben“ – 1912 aus der Aus­rüs­tung gestri­chen wor­den war, zogen die deut­schen Tele­gra­phen­trup­pen 1914 ledig­lich mit Fern­sprech­ap­pa­ra­ten und Funk­ge­rä­ten als Haupt­füh­rungs­mit­tel in den Ers­ten Welt­krieg.
Mit den ers­ten Kriegs­ein­sät­zen der Tele­gra­phen­trup­pen­tei­le wur­den schlag­ar­tig die Aus­wir­kun­gen die­ser ver­häng­nis­vol­len Fehl­ein­schät­zun­gen der Vor­kriegs­zeit sicht­bar, die u.a. die rich­ti­ge und vor­aus­schau­en­de Ein­ord­nung der tech­ni­schen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel in das Gesamt­sys­tem der Trup­pen­füh­rung ver­hin­dert hat­ten. Es stell­te sich her­aus, daß zahl­rei­che höhe­re Trup­pen­füh­rer und ihre Gene­ral­stabs­of­fi­zie­re nicht in der Lage waren, die ihnen zur Ver­fü­gung ste­hen­den Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel, ihren tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten und vor allem den ope­ra­tiv-tak­ti­schen Erfor­der­nis­sen ent­spre­chend rich­tig ein­zu­set­zen. Und selbst der Gene­ral­stab des Feld­hee­res, der ins­ge­samt für die deut­sche Ope­ra­ti­ons­füh­rung zustän­dig war, glaub­te bei sei­nem schnel­len ver­nich­ten­den Offen­siv­schlag in Bel­gi­en und  Frank­reich mit einem Mini­mum an moder­nen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ver­bin­dun­gen und ‑mit­teln aus­zu­kom­men. In fal­scher Inter­pre­ta­ti­on der Erfah­run­gen und Erkennt­nis­se aus den sieg­rei­chen Krie­gen von 1866 und 1870/71 hat­te man die Füh­rungs­an­for­de­run­gen der ungleich grö­ße­ren Armeen von 1914 ein­deu­tig unter­schätzt.

Haupt­her­aus­for­de­rung für die Tele­gra­phen­trup­pe im Sommer/Herbst 1914 war es dabei, am rech­ten Flü­gel des deut­schen Vor­mar­sches durch Bel­gi­en und Frank­reich den schnel­len Bewe­gun­gen der Armee- und Korps-Haupt­quar­tie­re zu fol­gen und die immer grö­ßer wer­den­den Ent­fer­nun­gen zwi­schen Gr.HQu. sowie den Armee- und Korps-Haupt­quar­tie­ren zu über­brü­cken. Wäh­rend die Korps-Tele­gra­phen­ab­tei­lun­gen ihre Auf­ga­ben dabei weit­ge­hend erfül­len konn­ten, erwie­sen sich dage­gen die Armee-Tele­gra­phen­ab­tei­lun­gen und die Etap­pen-Tele­gra­phen­di­rek­tio­nen hier­bei als unzu­ver­läs­sig. Bei dem schnel­len Vor­marsch und den über­dehn­ten Ent­fer­nun­gen zur 1. und 2. Armee am rech­ten Flü­gel des deut­schen Vor­mar­sches durch Bel­gi­en und Frank­reich mit resul­tie­ren­den Lei­tungs­län­gen von über 400 — 600 km waren ihre ver­füg­ba­ren Kräf­te nicht in der Lage, die Fern­sprech­ver­bin­dun­gen zwi­schen dem Gr.HQu. – zunächst in Koblenz, spä­ter in Luxem­burg – und die­sen bei­den Armee­ober­kom­man­dos stän­dig auf­recht zu erhal­ten. 

Bild: Die deut­sche Angriffs­pla­nung von 1914 basie­rend auf dem soge­nann­ten 
„Schlief­fen-Plan“ aus dem Jahr 1905, Gra­phik: Wiki­pe­dia 

Recht­zei­tig und rich­tig ein­ge­setzt, hät­ten sie jedoch die benö­tig­ten Fern­sprech­ver­bin­dun­gen bedarfs­ge­recht her­stel­len und betrei­ben kön­nen. Vor­aus­set­zung hier­für wäre aber gewe­sen, sie zeit­ge­recht und weit genug vorn ein­zu­set­zen sowie den Nach­schub an Lei­tungs­bau­ma­te­ri­al sicher­zu­stel­len. Das alles wäre rech­ne­risch durch­aus mög­lich gewe­sen, nur war hier­für weder die dama­li­ge Füh­rung, noch das Offi­zier­korps der Tele­gra­phen­trup­pe im Fern­mel­de­ein­satz genü­gend geschult. Aber auch bei rich­ti­gem Ein­satz der Kräf­te hät­te man auf den über 400 — 600 km lan­gen Lei­tun­gen doch kei­ne brauch­ba­ren Fern­sprech­ver­bin­dun­gen erzielt, weil es noch kei­ne Ver­stär­ker gab, und Fern­schrei­ber stan­den nicht zur Ver­fü­gung.
Auch mit dama­li­gen Mit­teln brauch­ba­re Fern­sprech­ver­bin­dun­gen wären nur her­zu­stel­len und zu betrei­ben gewe­sen, wenn die O.H.L., d.h. der Chef der Feld­te­le­gra­phie früh­zei­tig mög­lichst star­ke pos­ta­li­sche Reser­ven zusam­men­ge­fasst und mit die­sen eine gute Post-Quer­ver­bin­dung von Luxem­burg über Sedan — Char­le­ville auf Laon — Noyon vor­ge­trie­ben hät­te, über die man vom Gr.HQu. alle drei Armeen des rech­ten deut­schen Flü­gels hät­te gut errei­chen kön­nen. Aber eine Füh­rung der Tele­gra­phen­trup­pe, die recht­zei­tig auf eine der­ar­ti­ge Lösung die­ses Pro­blems gekom­men wäre, gab es 1914 nicht.
Daher waren eher auch unzu­ver­läs­si­ge Funk­ver­bin­dun­gen oft das ein­zi­ge Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel zwi­schen Gr.HQu. sowie ins­be­son­de­re 1. und 2. Armee. Die­ser Man­gel an siche­ren Fern­mel­de­ver­bin­dun­gen wirk­te sich ins­be­son­de­re in der Kri­se wäh­rend der Schlacht an der Mar­ne aus, was auf­grund unkla­rer Lage­infor­ma­tio­nen die O.H.L. zu ihrem Rück­zugs­be­fehl hin­ter die Ais­ne ver­an­lass­te.

Bild: Schlacht an der Mar­ne – Lage am 9. Sep­tem­ber 1914, Gra­phik: Wikimedia/George Her­bert Per­ris (1866–1920)

Dage­gen gelang es den im Bereich der 8. Armee in Ost­preu­ßen lie­gen­den Fes­tungs-Funk­sta­tio­nen sowie den dort ein­ge­setz­ten, bei der Ver­tei­di­gung im eige­nen Land wenig genutz­ten mobi­len Funk­sta­tio­nen durch Erfas­sung unver­schlüs­sel­ter Funk­sprü­che der rus­si­schen Narew- und Nje­men-Armee deren Ope­ra­ti­ons­pla­nung auf­zu­klä­ren bzw. ver­mu­te­te Absich­ten zu bestä­ti­gen. Mit ihrer erst­ma­li­gen Funk­auf­klä­rung tru­gen sie hier­durch zum deut­schen Erfolg in der Schlacht bei Tan­nen­berg bei. 

Bild: Schlacht bei Tan­nen­berg – Lage am 28. August 1914, Gra­phik: Wikipedia/Lars Hel­bo

Das Mit­hö­ren von rus­si­schem und fran­zö­si­schem Funk­ver­kehr durch grenz­na­he Fes­tungs-Groß­funk­sta­tio­nen gehör­te zwar bereits vor dem 1. Welt­krieg auch zu deren Auf­trag, aber mit dem Ziel, Grund­la­gen für Stör­maß­nah­men im Kriegs­fall zu sam­meln. Es han­del­te sich dabei nach heu­ti­gen Begrif­fen um „Elek­tro­ni­sche Unter­stüt­zungs­maß­nah­men“, nicht Funk­auf­klä­rung, da der ver­schlüs­sel­te rus­si­sche und fran­zö­si­sche Funk­ver­kehr nicht sys­te­ma­tisch erfaßt wur­de. Dar­über hin­aus ging man damals noch davon aus, daß es nicht mög­lich sei, die­se ver­schlüs­sel­ten Funk­ver­keh­re zu ent­zif­fern und so ihre Inhal­te aus­zu­wer­ten.   
Nach Kriegs­be­ginn aber wur­den rus­si­sche und fran­zö­si­sche Funk­ver­keh­re kaum bzw. nicht gestört, weil man einer­seits fest­stell­te, daß dies in der Pra­xis doch eher schwie­rig war, und da man ande­rer­seits recht schnell dar­auf kam, daß auch ver­schlüs­sel­te Funk­ver­keh­re mit den Metho­den der Kryp­to­ana­ly­se ent­zif­fert sowie anschlie­ßend ihr Inhalt tak­tisch aus­ge­wer­tet wer­den konn­te und dar­über hin­aus die Aus­wer­tung von Ruf­zei­chen, Fre­quenz­nut­zung, Ver­kehrs­be­zie­hun­gen sowie Pei­lun­gen wei­te­re Erkennt­nis­se lie­fer­te.

Auch die fran­zö­si­sche Funk­auf­klä­rung war erfolg­reich gegen anfangs unver­schlüs­sel­ten Funk­ver­kehr u.a. eini­ger deut­scher Kaval­le­rie­ver­bän­de, weil zum Teil Schlüs­sel­un­ter­la­gen bei Mobil­ma­chung an den Frie­dens­stand­or­ten „ver­ges­sen“ oder bewußt zurück­ge­las­sen wor­den waren, um – in Unkennt­nis oder Igno­ranz der Mög­lich­keit von Funk­auf­klä­rung – ohne Ver­schlüs­se­lung Zeit beim Funk­ver­kehr zu spa­ren.        
So wur­de der unver­schlüs­sel­te Funk­ver­kehr eini­ger deut­scher Kaval­le­rie­ver­bän­de bei der fran­zö­si­schen Funk­auf­klä­rung „Mar­witz-Tele­gram­me“ genannt – nach dem Kom­man­deur des Höhe­ren Kaval­le­rie­kom­man­dos Nr. 2 (Höh­KavKdo Nr. 2), Gene­ral der Kaval­le­rie Georg von der Mar­witz.        
Ob auch die von Ober­leut­nant Erich Fell­gie­bel geführ­te Funk-Sta­ti­on der im Rah­men des Höh­KavKdo Nr. 2 ein­ge­setz­ten 4. Kaval­le­rie­di­vi­si­on unver­schlüs­sel­ten Funk­ver­kehr durch­führ­te, ist zwar unbe­kannt und bei sei­ner Vor­ver­wen­dung als Aus­bil­der an der Fun­ker­schu­le eher unwahr­schein­lich, aber in sei­ner Zweit­funk­ti­on als Funker­kom­man­deur beim Höh­KavKdo Nr. 2 war er ins­ge­samt für des­sen Funk­ver­kehr ver­ant­wort­lich und hat wohl zumin­dest vom unver­schlüs­sel­ten Funk­ver­kehr im Bereich des Höh­KavKdo Nr. 2 erfah­ren, denn 20 Jah­re spä­ter hat er das (unver­schlüs­sel­te) Fun­ken angeb­lich als Lan­des­ver­rat bezeich­net und in den Grund­sät­zen der Nach­rich­ten­trup­pe von 1934 fest­ge­legt: „Stets ist damit zu rech­nen, daß der Geg­ner unse­ren Nach­rich­ten- und dabei den Funk­ver­kehr erfasst. Der ander­wei­tig oft gel­ten­de Satz „Wir­kung geht vor Deckung !“ ist beson­ders hin­sicht­lich des Funk­ver­kehrs meist unzu­tref­fend. Er ist sehr gefähr­lich, da sich die Stra­fe für Leicht­fer­tig­keit meist erst spä­ter und dann schwer­wie­gend ein­stellt.“

Das Schei­tern der deut­schen Anfangs­of­fen­si­ve an der Mar­ne, die Aus­deh­nung der West­front bis an die Kanal­küs­te und der Über­gang zum Stel­lungs­krieg sowie die zuneh­men­de räum­li­che Aus­deh­nung der Front im Osten bestimm­ten in der Fol­ge­zeit nach­hal­tig die wei­te­re Ent­wick­lung der Tele­gra­phen­trup­pen. Neben der Neu­or­ga­ni­sa­ti­on der zen­tra­len Füh­rung und der Auf­stel­lung wei­te­rer Tele­gra­phen­trup­pen­tei­le war es vor allem die umfas­sen­de Ein­be­zie­hung der Reichs­te­le­gra­phie, mit deren Hil­fe und Unter­stüt­zung die schritt­wei­se Lösung der bis­he­ri­gen Pro­ble­me in Angriff genom­men wur­de. Zuerst bei der Obers­ten Hee­res­lei­tung, danach auch bei den Armee­ober­kom­man­dos trat an die Stel­le des für den Mas­sen­ver­kehr und über gro­ße Ent­fer­nun­gen nicht geeig­ne­ten Fern­sprech­ap­pa­ra­tes, der Fern­schreib- und danach sogar der Siemens´sche Schnell­te­le­gra­phen­ver­kehr. Par­al­lel dazu ent­stan­den die orga­ni­sa­to­ri­schen und tech­ni­schen Vor­aus­set­zun­gen für den Fern­sprech-Weit­ver­kehr, mit dem sich die Tele­gra­phen­trup­pen vor dem Krie­ge über­haupt nicht befaßt hat­ten.

Quel­le:

Tafel 17 und 18 der Bild­ta­fel­aus­stel­lung “Fern­mel­de­trup­pen – Ges­tern und heu­te”



Wei­te­re Quel­len und zusätz­li­che Infor­ma­tio­nen zum The­ma:

  1. Das Tele­gra­phen- und Nach­rich­ten­we­sen von den Anfän­gen bis 1939 nach Gene­ral­ma­jor Erich Fell­gie­bel – in: Tele­gra­phen-/ Nach­rich­ten-/ Fern­mel­de­trup­pen und Füh­rungs­diens­te – Füh­rungs­un­ter­stüt­zung seit 1899, Hrsg.: Fern­mel­de­ring e.V. 1999 – S. 19 ff.
  2. Ran­de­wig, Kuni­bert: 50 Jah­re Deut­sche Hee­res-Funk- und Nach­rich­ten­au­klä­rung – Ein Rück­blick im Jah­re 1964 auf ihre orga­ni­sa­to­ri­sche Ent­wick­lung von 1914 — 1945, in: Tele­gra­phen-/ Nach­rich­ten-/ Fern­mel­de­trup­pen und Füh­rungs­diens­te – Füh­rungs­un­ter­stüt­zung seit 1899, Hrsg.: Fern­mel­de­ring e.V. 1999 – S. 39 ff.
  3. Tele­gra­phen-/Nach­rich­ten-/Fern­mel­de­trup­pen und Füh­rungs­diens­te – Füh­rungs­un­ter­stüt­zung seit 1899, Hrsg.: Fern­mel­de­ring e.V. 1999 – S. 225 ff.
  4. Goe­bel, Die­ter: Tele­gra­phen-/Nach­rich­ten-/Fern­mel­de-Trup­pen – Orga­ni­sa­ti­ons­dar­stel­lung 1830 — 1980, FmS/FSHEloT 1980
  5. Recke, Hans-Joa­chim: Die Ent­wick­lung der Tele­gra­phen- und Nach­rich­ten­trup­pe in: Anten­ne-Son­der­aus­ga­be „100 Jah­re Fern­mel­de­trup­pen“, FmS/FSHElT 1999 – S. 6 ff.
  6. Fern­mel­de­trup­pe und Mili­tär auf der Sei­te von Oberst a.D. Mil. His­to­ri­ker Dipl. Ing.oec. Hans Georg Kam­pe () unter www.hgkampe.homepage.t‑online.de
  7. Wiki­pe­dia Ein­trag zu „Schlief­fen-Plan“
  8. Wiki­pe­dia Ein­trag zu „Schlacht an der Mar­ne“
  9. Wiki­pe­dia Ein­trag zu Wiki­pe­dia Ein­trag zu „Schlacht bei Tan­nen­berg“