
Können Sie wissen, ob diesen Artikel ein Mensch geschrieben hat oder nicht bereits eine Maschine ? Spielt es eine Rolle für Sie ? Die Möglichkeit allein gibt einen Vorgeschmack auf die Welle, die nach Mustafa Suleymans 2024 „The Coming Wave: Künstliche Intelligenz, Macht und das größte Dilemma des 21. Jahrhunderts” auf die Menschheit zurollt.
Oberstleutnant i.G. Maximilian Harhausen
Vorweg
Das Buch des Mitbegründers der Google-Tochter „Deep Mind“ sei jedem an´s Herz gelegt, der einen eingänglichen Einblick in die Thematik sucht.
Zur Verfassung dieses Artikels wurde das Sprachmodell „Claude 3.7 Sonnet“ der US-Firma Anthropic zur Unterstützung genutzt. Was das genau bedeutet und warum die Nutzung großer Sprachmodelle nur die Spitze des Eisbergs darstellt, soll in diesem Artikel beleuchtet werden. Daneben wird ein grundlegender Einblick in das Thema KI vermittelt und verständlich erklärt, was hinter dieser Technologie steckt, wie sie funktioniert und welche Bedeutung sie für die Bundeswehr und den gesamten Sicherheitsbereich hat.
Einführung
Die Künstliche Intelligenz (KI) hat sich in den vergangenen Jahren zu einer strategischen Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts entwickelt. Was vor wenigen Jahrzehnten noch Science Fiction war, ist heute fester Bestandteil unseres Alltags und gewinnt zunehmend an Bedeutung – auch und gerade für moderne Streitkräfte und den Sicherheitssektor. In einer Zeit, in der Informationsüberlegenheit, schnelle Entscheidungsfindung und effiziente Ressourcennutzung entscheidende Faktoren sind, kann KI einen wichtigen Beitrag leisten, um die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr zu stärken und zu erhalten.
Was ist Künstliche Intelligenz?
Künstliche Intelligenz beschreibt Computersysteme, die in der Lage sind, Aufgaben zu erledigen, die normalerweise menschliche Intelligenz erfordern. Dazu gehören Fähigkeiten wie Lernen, Problemlösen, Sprachverständnis, Mustererkennung und logisches Schlussfolgern. Im Gegensatz zu herkömmlichen Computerprogrammen, die strikt nach vorprogrammierten Regeln arbeiten, können KI-Systeme aus Daten lernen und sich anpassen (vgl. dazu EU Artificial Intelligence Act Art. 3 (1) „KI-System” von Feb 2025).
In der Fachdiskussion wird oft zwischen “schwacher KI” und “starker KI” unterschieden:
- „Schwache KI“ ist auf spezifische Aufgaben spezialisiert und arbeitet in klar definierten Grenzen. Hierzu gehören Sprachassistenten, Bilderkennungssysteme oder Schachcomputer. Diese Systeme sind bereits weit verbreitet und werden ständig weiterentwickelt. Alle aktuell existierenden KI-Systeme fallen in diese Kategorie.
- „Starke KI“ beschreibt hypothetische Systeme, die über ein menschenähnliches Bewusstsein und ein umfassendes Verständnis verfügen würden. Eine solche KI könnte selbstständig denken und komplexe Probleme domänenübergreifend lösen. Starke KI existiert allerdings bislang nur als theoretisches Konzept und in der Science Fiction (wie bspw. „HAL 9000“ aus dem 1968 erschienenen Film „2001: Odyssee im Weltraum”).
Die Geschichte der KI reicht – anders als die aktuelle Wahrnehmung suggeriert – deutlich bis in die 1950er Jahre zurück, als erste Grundlagenforschungen begannen. Militärische Anwendungen spielten dabei von Anfang an eine wichtige Rolle – von frühen Expertensystemen über computergestützte Lagebilder bis hin zu modernen autonomen Systemen. Nach mehreren Auf- und Abwärtsphasen (sogenannten “KI-Wintern”) hat die Technologie in den letzten 15 Jahren enorme Fortschritte gemacht, hauptsächlich dank leistungsfähigerer Computer, größerer Datenmengen und verbesserter Algorithmen. Zum Einstieg wird das Angebot der Plattform „Lernende Systeme“ der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) und des Ministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) empfohlen, die unter https://www.youtube.com/@PlattformLernendeSysteme mit sehr anschaulichen Videos einen guten Einstieg in das Thema bieten.
Wie funktioniert KI?
Um die Funktionsweise von KI zu verstehen, ist es zunächst hilfreich, die wichtigsten Grundprinzipien zu kennen:
„Machine Learning“ („Maschinelles Lernen“) bildet das Fundament moderner KI-Systeme. Statt mit expliziten Programmierregeln zu arbeiten, werden diese Systeme mit großen Datenmengen trainiert, aus denen sie selbständig Muster erkennen und Regeln ableiten. Beispielsweise könnte ein System durch das Analysieren tausender Radarbilder lernen, bestimmte Fahrzeugtypen zu identifizieren, ohne daß ein Mensch jedes einzelne Merkmal explizit programmieren muß.
„Deep Learning“ („Tiefes Lernen“) ist eine fortgeschrittene Form des „Machine Learning“, die auf künstlichen neuronalen Netzen basiert. Diese orientieren sich an der Funktionsweise des menschlichen Gehirns und bestehen aus mehreren Schichten (daher “tief”) miteinander verbundener Knoten. Jede Schicht extrahiert unterschiedliche Merkmale aus den Daten – von einfachen Strukturen bis hin zu komplexen Konzepten. „Deep Learning“ hat in den letzten Jahren zu erheblichen Durchbrüchen in Bereichen wie Spracherkennung, Bildverarbeitung und autonomen Systemen geführt.

Abbildung 2 https://www.ibm.com/think/topics/ai-vs-machine-learning-vs-deep-learning-vs-neural-networks
Das Projekt „3Blue1Brown” des Stanford-Absolventen Grant Sanderson stellt auf dem gleichnamigen YouTube-Kanal qualitativ hervorragende und dennoch kompakte Videos zur Thematik bereit. Das Video „Aber was ist ein neuronales Netz?”, mittlerweile bereits 7 Jahre alt, unter https://www.youtube.com/3blue1brown ist nach Meinung des Autoren einer der besten Startpunkte für die vertiefende technische Auseinandersetzung mit dem Thema – originalsprachlich englisch, dank KI mit nahezu perfekter deutscher Synchronisation.
Das Trainieren von KI-Modellen erfordert in der Regel:
- eine große Menge an qualitativ hochwertigen Daten;
- erhebliche Rechnerleistung;
- spezialisierte Algorithmen;
- Zeit und Expertise für die Optimierung.
Für den militärischen Einsatz ist es besonders wichtig, robuste und zuverlässige KI-Systeme zu entwickeln. Anders als bei vielen zivilen Anwendungen können Fehler oder unerwartetes Verhalten in sicherheitskritischen Bereichen schwerwiegende Folgen haben. Daher werden besondere Anforderungen an Verlässlichkeit, Nachvollziehbarkeit und Transparenz gestellt. Ein KI-System muß nicht nur funktionieren, sondern seine Entscheidungen müssen auch überprüfbar und erklärbar sein, um das Vertrauen der Anwender zu gewinnen.
KI im militärischen Kontext – Grundlagen
Die digitale Transformation der Bundeswehr ist eine der zentralen Herausforderungen der kommenden Jahre. KI spielt dabei eine Schlüsselrolle als Querschnittstechnologie, die nahezu alle Bereiche von der Führung über die Aufklärung bis hin zur Logistik betrifft.
Im Rahmen der Digitalisierungsstrategie der Bundeswehr wird KI als eine von mehreren Schlüsseltechnologien betrachtet (vgl. Stichwort „Umsetzungsstrategie Digitale Bundeswehr 2019“). Die Hauptziele sind:
- Verbesserung der Entscheidungsprozesse durch intelligente Datenauswertung;
- Steigerung der Effizienz durch Automatisierung von Routineaufgaben;
- Erhöhung der Sicherheit und des Schutzes der Soldatinnen und Soldaten durch verbesserte Lagebilder und Unterstützungssysteme;
- Optimierung von Ausbildung und Training durch intelligente Simulationen.
Im internationalen Vergleich zeigt sich, daß zahlreiche NATO-Partner und andere Nationen erhebliche Ressourcen in militärische KI-Anwendungen investieren. Die USA haben beispielsweise mit ihrer “AI Initiative” die Entwicklung und den Einsatz von KI-Technologien zur nationalen Priorität erklärt. Auch China und Russland treiben die Entwicklung militärischer KI voran. Auch die Bundeswehr kann und sollte von diesen Entwicklungen lernen, muß aber eigene, den spezifischen Anforderungen und ethischen Grundsätzen entsprechende Lösungen entwickeln.
Einsatzbereiche von KI in modernen Streitkräften
KI kann in verschiedenen Bereichen der Streitkräfte eingesetzt werden, um Fähigkeiten zu verbessern und Personal zu entlasten:
Führungsinformationssysteme und Lagebilderstellung: KI kann dazu beitragen, aus einer Vielzahl von Sensordaten und Informationsquellen ein umfassendes und aktuelles Lagebild zu erstellen. Durch die automatisierte Analyse können relevante Informationen schneller erkannt und bereitgestellt werden. Dies unterstützt Führungskräfte dabei, in komplexen Situationen fundierte Entscheidungen zu treffen.
Informationsgewinnung und ‑auswertung: Moderne Aufklärungssysteme generieren enorme Datenmengen. KI-gestützte Analyseverfahren können diese Daten effizient durchsuchen, klassifizieren und relevante Informationen extrahieren. So können beispielsweise auf Satellitenbildern automatisch bestimmte Objekte oder Veränderungen erkannt werden, die für menschliche Analysten schwer oder nur zeitaufwändig zu identifizieren wären.
Logistik, Wartung und Instandhaltung: Durch vorausschauende Wartung („Predictive Maintenance“) können potenzielle Defekte an Fahrzeugen oder Ausrüstung frühzeitig erkannt werden, bevor ein tatsächlicher Ausfall eintritt. KI-Systeme analysieren dazu Sensordaten und erkennen Muster, die auf bevorstehende Probleme hindeuten. Auch in der Versorgungskette kann KI helfen, den Materialfluss zu optimieren und Engpässe zu vermeiden.
Ausbildung und Simulation: Virtuelle und erweiterte Realität in Kombination mit KI ermöglicht realistischere und adaptive Trainingsszenarien. Die Systeme können sich an das Leistungsniveau der Trainierenden anpassen und gezielt auf individuelle Stärken und Schwächen eingehen. So können Soldatinnen und Soldaten effektiver auf komplexe Einsatzszenarien vorbereitet werden.
Aktuelle KI-Systeme und zivile Anwendungen
Die rasante Entwicklung im zivilen Bereich eröffnet auch für militärische Anwendungen interessante Perspektiven: Moderne Sprachmodelle wie „ChatGPT“, das hier genutzte „Claude“ oder „Gemini“ haben in den letzten Jahren beeindruckende Fortschritte gemacht. Diese Systeme verstehen und generieren natürliche Sprache, fassen Texte zusammen, übersetzen oder unterstützen bei der Dokumentenerstellung. Im militärischen Umfeld könnten sie bei der Auswertung umfangreicher Textmengen, der Übersetzung fremdsprachiger Dokumente oder der Unterstützung bei Berichten und Analysen wertvolle Dienste leisten.
Die Entstehung dieses Artikels verdeutlicht die praktische Anwendung: Mit einem gezielten „Prompt“ an das System „Claude“ entstand innerhalb von etwa 60 Sekunden ein tragfähiges Grundgerüst, während die manuelle Finalisierung etwa 2 — 3 Stunden in Anspruch nahm. Dies relativiert die verbreitete Sorge, KI werde kurzfristig jede Fachtätigkeit ersetzen. Trotz heutiger „Deep Research”-Modelle, die Quellen referenzieren und bereits im Entwurf ein hohes Maß an Korrektheit erreichen, bleibt das Problem der „Halluzination“ – das Erfinden von Fakten durch KI – bestehen. Auch der oft generische Ton der Entwürfe erfordert nach wie vor die redaktionelle Hand eines menschlichen Experten.
Im Bereich der Bilderkennung und ‑analyse hat „Deep Learning“ ebenfalls zu enormen Fortschritten geführt: Moderne KI-Systeme identifizieren und klassifizieren Objekte, Personen oder Situationen auf Bildern und in Videos mit beeindruckender Genauigkeit. Die Bundeswehr untersucht intensiv, wie diese Technologien die Auswertung von Aufklärungsdaten beschleunigen und qualitativ verbessern können.
Die Spracherkennung und ‑verarbeitung ermöglicht mittlerweile die präzise Umwandlung gesprochener Sprache in Text und deren weitergehende Analyse. Im militärischen Kontext ergeben sich Anwendungsmöglichkeiten in der Kommunikationsüberwachung, bei Übersetzungen oder für sprachgesteuerte Bediensysteme.
Von besonderer strategischer Bedeutung sind „Dual-Use“-Technologien, die sowohl im zivilen, als auch im militärischen Bereich eingesetzt werden können. Die Bundeswehr kann von den Innovationen des zivilen Sektors profitieren, muß jedoch sicherstellen, daß diese den speziellen Anforderungen an Robustheit, Sicherheit und Zuverlässigkeit im militärischen Umfeld gerecht werden. Hierzu ist eine enge Verzahnung zwischen Bundeswehr, Forschungseinrichtungen und Industrie unverzichtbar.
Chancen der KI-Technologie für die Bundeswehr
Der verantwortungsvolle Einsatz von KI eröffnet der Bundeswehr zahlreiche zukunftsweisende Möglichkeiten: Durch die Automatisierung von Routineaufgaben werden wertvolle personelle Ressourcen entlastet und können effizienter eingesetzt werden – ein wesentlicher Vorteil angesichts des demografischen Wandels und des zunehmenden Fachkräftemangels.
Im Bereich der Lagebeurteilung und Entscheidungsfindung zeichnet sich ab, daß künftig nur noch KI-unterstützte Systeme die stetig wachsenden Datenmengen bewältigen und die relevanten Informationen herausfiltern können. Dies ermöglicht Führungskräften eine schnellere und fundierte Entscheidungsfindung. Grundsätzlich gilt jedoch: KI soll den Menschen nicht ersetzen, sondern unterstützen – die finale Entscheidungsverantwortung muß aus ethischen und rechtlichen Gründen beim Menschen verbleiben.
Adaptive Trainingssysteme revolutionieren die militärische Ausbildung, indem sie individuell angepasste Lernumgebungen schaffen. Realistische Simulationen mit KI-gesteuerten Szenarien verbessern die Einsatzbereitschaft nachhaltig und ermöglichen eine effizientere Vorbereitung auf komplexe Einsatzszenarien.
Nicht zuletzt trägt KI wesentlich zur Stärkung der Resilienz bei: Sie erkennt Anomalien in Netzwerken frühzeitig, unterstützt bei der Abwehr von Cyber-Angriffen und hilft bei der Identifikation alternativer Kommunikationswege in Krisensituationen.
Herausforderungen und Risiken
Den vielfältigen Chancen stehen jedoch auch bedeutende Herausforderungen gegenüber: Im Bereich Datenschutz und Informationssicherheit ergeben sich komplexe Fragestellungen, da KI-Systeme umfangreiche Datenmengen zum Lernen benötigen. Wie kann die sichere Verwendung sensibler Trainingsdaten gewährleistet werden? Wie lässt sich die unbeabsichtigte Preisgabe vertraulicher Informationen verhindern? Die Entwicklung robuster Sicherheitskonzepte ist hier unerlässlich.
Eine wachsende Technologieabhängigkeit birgt Risiken, wenn KI-Systeme ausfallen oder gezielt manipuliert werden: Die Bundeswehr muß daher sicherstellen, daß kritische Funktionen auch ohne KI-Unterstützung zuverlässig aufrechterhalten werden können und entsprechende Systeme wirksam gegen Störungen oder Angriffe geschützt sind.
Der militärische Einsatz von KI wirft zudem fundamentale ethische Fragen auf: Welches Maß an Autonomie soll diesen Systemen zugestanden werden? Wer trägt letztendlich die Verantwortung für KI-basierte Entscheidungen? Hier bedarf es einer klaren Regulierung, die mit den Grundwerten der Bundeswehr und dem Völkerrecht in Einklang steht.
Die Gestaltung der Mensch-Maschine-Interaktion stellt eine weitere zentrale Herausforderung dar. KI-Systeme müssen für ihre Nutzer transparent und kontrollierbar bleiben. Besonders im militärischen Kontext ist die “Erklärbarkeit” von KI-Entscheidungen essenziell, um Vertrauen aufzubauen und die menschliche Kontrolle zu gewährleisten.
Ausblick: Die Zukunft der KI in den Streitkräften
Die KI-Entwicklung schreitet mit beeindruckendem Tempo voran und wird die Streitkräfte weltweit zunehmend prägen: Für die Bundeswehr eröffnen sich dadurch vielfältige Möglichkeiten, gleichzeitig entsteht jedoch die Notwendigkeit, mit dieser dynamischen Entwicklung Schritt zu halten.
Die erwarteten technologischen Fortschritte umfassen vor allem eine verbesserte “Erklärbarkeit” von KI-Entscheidungen, wodurch Transparenz und Vertrauen gestärkt werden. Zudem zeichnet sich eine intensivere Integration verschiedener KI-Fähigkeiten in umfassende Systemlösungen ab. Die Entwicklung effizienterer KI-Modelle mit deutlich geringerem Ressourcenbedarf und die Gestaltung intuitiverer Mensch-Maschine-Schnittstellen werden ebenfalls entscheidende Entwicklungsfelder sein.
Für die Bundeswehr wird ein verantwortungsvoller Umgang mit KI im Sicherheitssektor zum zentralen Erfolgsfaktor. Dies erfordert die kontinuierliche Weiterbildung des Personals, eine enge Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen und Industrie sowie die Entwicklung klarer ethischer Richtlinien und rechtlicher Rahmenbedingungen.
Oberstleutnant i.G. Maximilian Harhausen ist als Referent für Cyberoperationen sowie als Beauftragter für Künstliche Intelligenz im Strategiereferat des Kommandos Cyber- und Informationsraum eingesetzt.
Hinweis der Redaktion: Eine Kurzfassung dieses Artikels wird in der F‑Flagge 1–2025 veröffentlicht.