Die Bundeswehr hält grundsätzlich am Zeitplan für die Einführung des Programms „Digitalisierung Landbasierter Operationen“ (D‑LBO) fest, allerdings möglicherweise unter Änderung der Reihenfolge auszustattender Fahrzeuge und Verbände, um die Einsatzbereitschaft der „Division 2025“ sicherzustellen – Zum Sachstand und weiteren Vorgehen nach dem Systemnachweis/-test im November 2025
Oberst a.D. Peter Uffelmann
Mit dem Programm „Digitalisierung Landbasierter Operationen“ (D‑LBO) soll ein volldigitalisierter, durchgängiger sowie robuster und mit den NATO-Partnern interoperabler Informations- und Kommunikationsverbund für landbasierte Operationen von der Ebene der einzelnen Soldaten sowie Einzelfahrzeuge über Teileinheits- und Kompanie-/Batterieebene bis zu den Gefechtsständen auf Bataillons- sowie Brigadeebene realisiert werden, um zwischen ihnen in Echtzeit Informationen umfassend, schnell, sicher sowie verlässlich auszutauschen und so ein gemeinsames Lagebild sicherzustellen. Dazu sollen grundsätzlich alle Soldaten und Fahrzeuge mit neuen Digitalfunkgeräten sowie mit dem Führungsinformationssystem „Battle Management System“ (BMS) unter Nutzung der SitaWare-Software-Suite ausgestattet werden.Der wesentliche Unterschied zur BMS-Nutzung beim Deutschen Anteil der Very High Readiness Joint Task Force (Land) 2023 (DtA VJTF(L) 2023), der im Kern durch PzGrenBrig 37 „Sachsen“ gestellt wurde, liegt dabei in den neuen Digitalfunkgeräten, während beim DtA VJTF(L) 2023 noch die vorhandenen SEM 80/90 genutzt wurden.
Für die „Division 2025“ (= verstärkte 10. Panzerdivision mit PzBrig 12 „Oberpfalz“, PzGrenBrig 37 „Sachsen“, PzBrig 45 „Litauen“ und ihren Divisionstruppen sowie Unterstützungskräften von Luftwaffe, Teilstreitkraft Cyber- und Informationsraum sowie des Unterstützungsbereichs der Bundeswehr), die bereits fest in die NATO-Verteidigungsplanung eingebunden ist und deshalb möglichst schnell bis zum Jahr 2027 sowie geschlossen auf D‑LBO umgerüstet werden muß, wird zunächst eine Grundversion, „D‑LBO basic“ in rund 16.000 vorhandenen Fahrzeugen und Plattformen verbaut. Sie bietet bereits wesentliche digitale Funktionen, ist aber zunächst in ihrer Komplexität reduziert und wird dann später durch zusätzliche Software-Updates aufwachsen.
Die Vollausstattungsversion, welche eine vollständige digitale Vernetzung ermöglichen wird, soll dann bis Ende 2030 in zahlreichen neuen Fahrzeugen sowie in ausgewählten Bestandsplattformen installiert werden.
Dabei kann der Einbau von D‑LBO in die damit auszustattenden Fahrzeuge nicht im „Plug-and-Play-Verfahren“ erfolgen, da die neuen Digitalfunkgeräte sowie die Hardware des „Battle Management System“ (BMS) nicht auf dieselbe Art und Weise in alle Fahrzeugtypen eingebaut werden können sowie der Einbau oftmals weitere technische Maßnahmen nach sich zieht, zum Beispiel den Austausch von Kabeln, Steckern oder Antennen, was alles Zeit braucht und zur Folge hat, daß die Fahrzeuge während der Umrüstung nicht zur Verfügung stehen.
Außerdem darf durch den Einbau von D‑LBO die Funktionsfähigkeit anderer elektronischer Komponenten des jeweiligen Fahrzeugs nicht beeinträchtigt werden. Für die über 200 verschiedenen Fahrzeugtypen wird dies deshalb in einer sogenannten „Musterintegration“ geprüft und ein Einbauplan für jeden einzelnen Fahrzeugtyp erarbeitet, für was dann eine sogenannte „Genehmigung zur Nutzung“ durch das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) ausgestellt werden muß: Erst danach können dann alle Fahrzeuge dieses Typs mit D‑LBO ausgerüstet werden („Serienintegration“).
Für die Gesamtfunktionalität von D‑LBO ist allerdings auch dies noch nicht ausreichend, weil dabei auch unterschiedliche Fahrzeugtypen zusammenwirken müssen — wichtige Meilensteine sind deshalb sogenannte „Systemnachweise“ bzw. „Systemtests“ zur Überprüfung des Gesamtsystems von D‑LBO insbesondere im aktuellen Software-Stand. Dabei war im Frühjahr diesen Jahres insbesondere festgestellt worden, daß die Bedien-Software der neuen Digitalfunkgeräte zu kompliziert sowie zeitaufwändig war und ihre Sprach- sowie Datenübertragung im Informations- und Kommunikationsverbund auf Bataillonsebene nicht den Mindestanforderungen unter Gefechtsfeldbedingungen entsprach.
Da aber einerseits der NATO bereits ab Januar 2025 eine einsatzbereite Brigade („Brigade Forward Land Forces“) zugesagt war und andererseits nicht alle vorhandenen Fahrzeuge aus technischen oder finanziellen Gründen mit D‑LBO ausgestattet werden können, hat PzGrenBrig 37 „Sachsen“ im Sommer diesen Jahres einen Test zum Verbund digitaler und analoger Funkgeräte (“Mischbetrieb” als „Brückenlösung“) durchgeführt, der zum Ergebnis hatte, daß die zwischenzeitlich bereits überarbeiteten Software-Versionen praktikabel und die getesteten Führungssysteme robust, intuitiv bedienbar sowie voll einsatzbereit sind, wobei der Mischbetrieb als temporäre Überbrückung bis zur vollständigen Digitalisierung alternativlos ist – siehe dazu die Webpage „Analogue meets digital“.
Aus den Stellungnahmen des für die ministerielle Fachaufsicht beim Programm „D‑LBO“ zuständigen BMVg-Abteilungsleiter für „Innovation und Cyber“ (BMVg IC), Generalleutnant Michael Vetter und des Inspekteurs des Heeres (InspH), Generalleutnant Dr. Christian Freuding als Vertreter des zukünftigen Hauptnutzers von D‑LBO beim Pressetermin am 25. November anlässlich des zweiten diesjährigen Systemnachweises/-tests ergibt sich zum Sachstand und weiteren Vorgehen beim Programm „D‑LBO“ nachfolgendes Bild:
Beim aktuellen Systemnachweis im November wurde der gleiche Software-Stand genutzt wie bei den Tests im Mai, wobei allerdings dessen Fehler mittlerweile bereinigt wurden, wodurch einige Probleme, die damals insbesondere bei Sprachübertragung aufgetreten waren, nun abgestellt sind. Die hauptsächliche Herausforderung bleibt es aber, die verschiedenen Software-Systeme der neuen Digitalfunkgeräte sowie des „Battle Management System“ (BMS) so zusammenzuführen, daß die begrenzte Bandbreite eines VHF-/UHF-Funkgeräts optimal genutzt werden kann, um Sprache und parallel dazu auch Daten sicher sowie mit ausreichender Kapazität übertragen zu können. Der neueste Software-Stand befindet sich hierzu bereits bei der Wehrtechnischen Dienststelle 81 zur Prüfung, der anschließend die Zertifizierung durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) folgt und welche dann die Grundlage für den nächsten Test im Frühjahr 2026 darstellt.
Hinsichtlich des weiteren Vorgehens im Programm „D‑LBO“ gibt es bis dahin die Möglichkeit und die Überlegung, die Reihenfolge der Fahrzeuge tauschen, so daß z.B. Fahrzeuge vorgezogen werden, die jetzt schon musterintegriert sind oder Fahrzeugtypen, die bisher überhaupt noch nicht mit Funkgeräten ausgestattet sind.
Um während der Umrüstungsphase die Einsatzbereitschaft der Landstreitkräfte sicherzustellen, wird teilweise auf andere Kräfte zurückgegriffen werden müssen als ursprünglich vorgesehen: Die „Brigade Forward Land Forces“ (= PzGrenBrig 37 „Sachsen“) wird deshalb bis auf Weiteres zunächst eine „analoge Brigade“ bleiben und wenn ihre Kräfte auf D‑LBO umgerüstet werden, dann müssen diese durch „analoge Kräfte“ aus anderen Bereichen für einen gewissen Zeitraum ersetzt werden.
Der „Mischbetrieb“ hat dabei noch an Bedeutung gewonnen, weil Verbände nicht geschlossen umgerüstet werden können, sondern auch innerhalb der Verbände aufgrund der unterschiedlich schnell verlaufenden Musterintegrationen dieser Mischbetrieb über einen gewissen Zeitraum und auch als „Brückenlösung“ gebraucht wird, um diejenigen Fahrzeuge einzubinden, die aufgrund von Aufwand sowie Nutzen oder aufgrund von Alter oder auch aufgrund physischer Begrenzungen nicht auf D‑LBO umgerüstet werden können.
Hierauf kam der InspH auch im Rahmen seines Vortrags beim Parlamentarischen Abend des „Förderkreises Heer“ am selben Tag in Berlin nochmals – mit deutlich kritischeren Anmerkungen – zurück: Demnach ist der derzeitige technische Fortschritt bei der Digitalisierung Landbasierter Operationen (D‑LBO) nicht zufriedenstellend, und er hat – durchaus empfindliche – Auswirkungen auf die Einsatzbereitschaft der Einheiten und Verbände des Heeres, weil eine als „marktüblich“ bezeichnete sechsmonatige Verzögerung ein halbes Jahr fehlende Interoperabilität mit NATO-Partnern und den Verlust von Ausbildungszeit, die Absage von Übungen, und damit in Konsequenz das Absinken der Einsatzbereitschaft bedeutet.
Deshalb muß noch im Dezember entschieden werden, wie die Integration von D‑LBO in die Waffensysteme und Fahrzeuge des Heeres sowie dessen Aufträge miteinander in Einklang gebracht werden können. Entscheidend wird dabei auch sein, ob und wie robust die Verbindung zwischen dem „digitalisierten“ und dem „analogen“ Heer gehalten werden kann, d.h. welche Lösungen es für den „Mischbetrieb“ gibt, weil dieser hundertprozentig funktionieren muß – das heißt: Nicht nur bei Schönwetter, sondern auch bei Regen und Schnee, Hitze sowie Kälte, und diese Lösungen zudem „mit Schmutz am Handschuh“ sowie auch ohne Universitätsabschluß bedienbar sein und in ausreichendem Umfang zur Verfügung stehen müßen.
Lesen Sie hier im Einzelnen o.a. Stellungnahmen unter
Generalleutnant Freuding zu D‑LBODigitalisierung landbasierter Operationen: „Wir brauchen den Mischbetrieb als Brückenlösung“
und den o.a. Vortrag im Reichspräsidentenpalais, Berlin “Impulsvortrag Parlamentarischer Abend Förderkreis Deutsches Heer am 25. November 2025”
sowie weitere Hintergrundinformationen über das Programm „D‑LBO“ unter “Digitalfunk und Co.: Digitalisierung Landbasierte Operationen”
Weitere Meldungen sowie Berichte im Internet:
- Hartpunkt.de: Bundeswehr hält an Zeitplan für D‑LBO fest
- Die Welt.de: Bundeswehr-Aufrüstung: „In Konsequenz das Absinken der Einsatzbereitschaft“
- Der Standard: Latenzprobleme — 59 Minuten für eine Chatnachricht: Bundeswehr scheitert an digitaler Kommunikation
Oberst a.D. Peter Uffelmann ist 1. Stellvertretender Vorsitzender des Fernmelderings e.V. sowie Redaktionsleiter der „F‑Flagge“ und war in seiner letzten dienstlichen Verwendung in der Abteilung „Chief Digitisation Officer Heer/Landbasierte Operationen“ (CDO H/LBO) im Kommando Heer der Koordinator im Heer für die Einführung des „Battle Management System“ (BMS) beim Deutschen Anteil der Very High Readiness Joint Task Force (Land) 2023, der im Kern durch PzGrenBrig 37 „Sachsen“ gestellt wurde.