“Analogue meets digital”

Pan­zer­gre­na­dier­bri­ga­de 37 tes­te­te gemein­sam mit BWI GmbH sowie Indus­trie den Ver­bund digi­ta­ler und ana­lo­ger Funk­ge­rä­te.

Fahr­zeu­ge müs­sen auf dem Gefechts­feld mit­ein­an­der „spre­chen“ kön­nen, Gefechts­stän­de ihre Trup­pe errei­chen. Die Digi­ta­li­sie­rung hat das Gefechts­feld erobert: Doch noch ist das Aus der ana­lo­gen Funk­ge­rä­te nicht gekom­men – bei­de Wel­ten müs­sen ver­eint wer­den. Wie – das tes­te­te Pan­zer­gre­na­dier­bri­ga­de 37 gemein­sam mit der Indus­trie als „Hands-on“-Erprobung.

Autoren­team von Pan­zer­gre­na­dier­bri­ga­de 37

Es ist Som­mer in der Wet­ti­ner-Kaser­ne im säch­si­schen Fran­ken­berg: Ein Schüt­zen­pan­zer PUMA steht neben einem Kampf­pan­zer LEOPARD 2 A7V, einem Trans­port­pan­zer FUCHS, einem Späh­wa­gen FENNEK, einem GTK BOXER und einem WIDDER im Son­nen­schein. In unmit­tel­ba­rer Nähe par­ken ein EAGLE IV, ein Mehr­zweck­fahr­zeug YAK und meh­re­re Lkw.

Bei der Erpro­bung wur­den 70 Fahr­zeu­ge und 20 ver­schie­de­ne Fahr­zeug­platt­for­men genutzt,

Bild: Bundeswehr/Kevin Ebert


An allen Fahr­zeu­gen hän­gen num­me­rier­te Zet­tel, Fahr­zeug­be­sat­zun­gen öff­nen Luken und Türen, Gepäck­stü­cke wer­den gesta­pelt. Doch was auf den ers­ten Blick nach einer sta­ti­schen Waf­fen­schau aus­se­hen mag, ist weit­aus mehr: Ver­schie­de­ne Gerä­te sind ein­ge­baut in die Fahr­zeu­ge, ver­staut in grü­ne und schwar­ze Trans­port­bo­xen. Unsicht­ba­re Funk­wel­len schwe­ben über den Platz: Hier geht es um den nächs­ten Schritt hin zu einer voll digi­ta­li­sier­ten Füh­rungs­fä­hig­keit von Land­streit­kräf­ten. 

Schwie­rig­kei­ten schnell erken­nen, Lösun­gen fin­den

Gemein­sam mit der Indus­trie, zahl­rei­chen Akteu­ren der Bun­des­wehr und vor allem den Unter­stüt­zungs­kräf­ten des Groß­ver­ban­des tes­te­te Pan­zer­gre­na­dier­bri­ga­de 37 auch in die­sem Jahr neue Soft­ware-Ver­sio­nen unter ein­satz­na­hen Bedin­gun­gen im Rah­men des Pro­jekts „Digi­ta­li­sie­rung Land­ba­sier­ter Ope­ra­tio­nen” (D‑LBO). Dabei wur­den alle tak­ti­schen Über­tra­gungs­mit­tel genutzt – ana­lo­ge, als auch digi­ta­le, denn ins­be­son­de­re die Zusam­men­schal­tung ana­lo­ger und digi­ta­ler Funk­ge­rä­te stand in die­sem Jahr im Vor­der­grund. 

„Die­se Erpro­bung ist beson­ders wich­tig, da sie einen rele­van­ten Ent­wick­lungs­schritt hin zu noch leis­tungs­fä­hi­ge­ren IT-Ver­bin­dun­gen inner­halb der gesam­ten Bri­ga­de dar­stellt“, erläu­tert Haupt­feld­we­bel Phil­ipp G. Er ist IT-Sys­tem­ad­mi­nis­tra­tor und Trupp­füh­rer in einer Ser­ver-Grup­pe der säch­si­schen Bri­ga­de sowie seit 2022 maß­geb­lich für die Pla­nung und Durch­füh­rung der „Hands-on“-Erprobung ver­ant­wort­lich. „Vor drei Jah­ren wur­den wir erst­mals durch das Bun­des­amt für Aus­rüs­tung, Infor­ma­ti­ons­tech­nik und Nut­zung der Bun­des­wehr (BAAINBw) ange­fragt, neue Ver­sio­nen digi­ta­ler Füh­rungs­sys­te­me im Trup­pen­all­tag zu tes­ten. Damals waren wir als NATO Respon­se Force ein­ge­setzt. Seit­dem machen wir das jedes Jahr“, erklärt der 40-Jäh­ri­ge. 

Für die NATO Respon­se Force (NRF) Land 2022 — 2024 und die Very High Rea­di­ness Task Force Land (VJTF(L)) 2023 war Pan­zer­gre­na­dier­bri­ga­de 37 der Leit­ver­band der mul­ti­na­tio­na­len Land­an­tei­le. Mit die­sem Auf­trag als Schnel­le Ein­greif­trup­pe der NATO erhiel­ten die Sach­sen alles not­wen­di­ge Mate­ri­al, um in kür­zes­ter Zeit schlag­kräf­tig in den Ein­satz ver­le­gen zu kön­nen: So auch ers­te digi­ta­le IT-Aus­stat­tung. 
Seit Janu­ar 2025 ist Pan­zer­gre­na­dier­bri­ga­de 37 inzwi­schen Kern der Mul­ti­na­tio­nal Bri­ga­de Lithua­nia und damit die Bri­ga­de mit der höchs­ten Ver­füg­bar­keit sowie Ein­satz­be­reit­schaft des Deut­schen Hee­res.

Der digi­ta­le Funk kommt in der Trup­pe an

Eine sta­bi­le und schnel­le Kom­mu­ni­ka­ti­on zu sei­ner Trup­pe auf dem Gefechts­feld ist für den Kom­man­deur des Groß­ver­ban­des somit ele­men­tar: „Über grö­ße­re Ent­fer­nun­gen Daten und Spra­che inner­halb der vorn kämp­fen­den Trup­pe und zwi­schen uns sowie den unter­stüt­zen­den Kräf­ten schnell, stör- und abhör­si­cher über­tra­gen zu kön­nen, ist eine der Vor­aus­set­zun­gen für die erfolg­rei­che Erfül­lung des Auf­trags im Bal­ti­kum,“ betont Bri­ga­de­ge­ne­ral David Mar­kus. „Dafür benö­ti­gen wir jetzt schnell die digi­ta­len Funk­ge­rä­te. Ich bin jedoch bereit, tem­po­rär eine Misch­lö­sung aus alten, ana­lo­gen und digi­ta­len Funk­ge­rä­ten hin­zu­neh­men, wenn es sein muß.“

Wäh­rend der „Hands-on-Erpro­bung“ 2025 wur­den unter ande­rem erst­mals die neu­en, digi­ta­len Fahr­zeug­funk­ge­rä­te VR5000 von Roh­de & Schwarz ein­ge­setzt,

Bild: Bundeswehr/Thomas Fug­mann  

Und genau die­ser Misch­be­trieb war ein wich­ti­ger Bestand­teil der dies­jäh­ri­gen „Hands-on“-Erprobung, zu der auch Spe­zia­lis­ten aus ver­schie­de­nen mili­tä­ri­schen und zivi­len Ver­bän­den, Orga­ni­sa­tio­nen und Fir­men nach Fran­ken­berg kamen: Aus Trup­pen­tei­len der Unter­stüt­zungs­kräf­te wie Feld­jä­ger und der Elek­tro­ni­schen Kampf­füh­rung, aus den Schwes­ter­bri­ga­den und Divi­si­ons­trup­pen der 10. Pan­zer­di­vi­si­on für den Auf­trag „Divi­si­on 2025“, aus dem BAAINBw, aus der BWI GmbH, aus dem Kom­man­do Heer, dem Amt für Hee­res­ent­wick­lung, dem Zen­trum für Digi­ta­li­sie­rung der Bun­des­wehr und dem IT-Fach- und Kom­pe­tenz­zen­trum sowie von den Fir­men Sys­te­ma­tic, KNDS, Roh­de & Schwarz und black­ned.

Mehr als 40 Admi­nis­tra­to­ren, 30 Nut­zer­be­treu­er, zehn Bedie­ner sowie cir­ca 60 Ver­tre­ter aus Indus­trie und dem Pro­jekt „D‑LBO“ tüf­tel­ten gemein­sam über Schnitt­stel­len­lö­sun­gen zwi­schen alter Ana­log- und neu­er Digi­tal­funk­welt: 70 Fahr­zeu­ge mit 20 unter­schied­li­chen Fahr­zeug­platt­for­men wur­den mit­ein­an­der ver­netzt. „Es gibt kei­ne Blau­pau­se. Jede Fahr­zeug­platt­form muß anders inte­griert wer­den. In die­ser Grö­ßen­ord­nung wur­de das in der Bun­des­wehr bis­her noch nie gemacht“, berich­tet Oberst­leut­nant Mat­thi­as Bober, Lei­ter der S6-Abtei­lung der Bri­ga­de und damit ver­ant­wort­lich für die Füh­rungs­fä­hig­keit von mehr als 6.000 Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten. „Wenn wir gemein­sam Lösun­gen für die­se 70 Fahr­zeu­ge fin­den, schaf­fen wir die Grund­la­ge für die tau­sen­den von Fahr­zeu­gen der „Divi­si­on 2025“ und alle wei­te­ren.“: Eine Mam­mut­auf­ga­be. 

Ein wesent­li­cher Vor­teil der „Hands-on“-Erprobung sind die kur­zen Wege und der stän­di­ge per­sön­li­che Aus­tausch zwi­schen den Betei­lig­ten: Hier spricht der S6-Abtei­lungs­lei­ter der Bri­ga­de mit Ver­tre­tern der BWI GmbH und der Indus­trie,

Bild: Bundeswehr/Tom Pel­ka

Sys­te­me wer­den immer ver­läss­li­cher

Haupt­feld­we­bel Alex­an­der W. ist Ser­ver-Trupp­füh­rer und IT-Admi­nis­tra­tor in einem Kampf­trup­pen­ver­band der Pan­zer­gre­na­dier­bri­ga­de 37: Er hat täg­lich mit der Digi­ta­li­sie­rung zu tun. „Das ist bereits mei­ne vier­te „Hands-on“-Erprobung. Über die Jah­re kann man einen deut­li­chen Fort­schritt erken­nen. Zu Beginn der Digi­ta­li­sie­rung muss­ten wir zunächst für die Akzep­tanz der digi­ta­len Füh­rungs­sys­te­me sor­gen“, blickt er zurück. „Doch durch den kon­ti­nu­ier­li­chen Aus­tausch zwi­schen Trup­pe und Indus­trie wur­den die Sys­te­me deut­lich ver­läss­li­cher und den Bedürf­nis­sen der Trup­pe ange­passt. Nun wer­den die Sys­te­me zuneh­mend gern genutzt.“

Jetzt geht um den nächs­ten Schritt – den Misch­be­trieb, die Zusam­men­schal­tung der ana­lo­gen und der digi­ta­len Funk­ge­rä­te. „Der Misch­be­trieb läuft noch nicht pro­blem­los“, erzählt Haupt­feld­we­bel Alex­an­der W.: „Aber genau dafür sind sol­che Erpro­bun­gen ja da. Es ist etwas ande­res, ob ich ein Sys­tem unter Labor­be­din­gun­gen oder unter ein­satz­na­hen Bedin­gun­gen tes­te.“ Das weiß auch Haupt­feld­we­bel Phil­ipp G. zu berich­ten: „Der Infor­ma­ti­ons­ver­bund wird durch Über­tra­gungs­mit­tel rea­li­siert, die die alte ana­lo­ge ‚Lega­cy-Welt‘ mit der neu­en Welt des Digi­tal­funks ver­knüp­fen. Nur so sichern wir die Ein­satz­be­reit­schaft.“ 

Dabei gibt es natür­lich immer wie­der Stell­schrau­ben, die nach­ge­bes­sert wer­den müs­sen: Ins­be­son­de­re wenn die Anzahl an Fahr­zeu­gen und Fahr­zeug­platt­for­men steigt. Doch in enger Zusam­men­ar­beit mit der Indus­trie ent­ste­hen immer wie­der pra­xis­na­he und effi­zi­en­te Lösun­gen, bei denen die Nut­zer­ak­zep­tanz im Zen­trum steht. Die Sys­te­me müs­sen die Bedürf­nis­se der Trup­pe erfül­len – nicht umge­kehrt. Ein digi­ta­les Sys­tem ist nur dann von Wert, wenn es wider­stands­fä­hig, abge­si­chert und ver­füg­bar ist.

Der unmit­tel­ba­re Erfah­rungs­aus­tausch zwi­schen Trup­pe und Indus­trie ist ein wesent­li­cher Bestand­teil der „Hands-On“-Erprobung, 

Bild: Bundeswehr/Tom Pel­ka

Pio­nier­geist ermög­licht belast­ba­re Brü­cken­lö­sung

Und so gehen drei inten­si­ve Wochen wie im Flug vor­bei: Auf die Aus­bil­dung der Nut­zer­be­treu­er in den Grund­la­gen des Füh­rungs­sys­tems „Sita­Wa­re Front­li­ne“ folg­te die Fort- und Wei­ter­bil­dung der Admi­nis­tra­to­ren und Bedie­ner in Sita­Wa­re Front­li­ne und Sita­Wa­re Head­quar­ters. 

Auch das IT-Sys­tem­haus der Bun­des­wehr, die BWI GmbH, unter­stützt die Trup­pe mit ihrer Exper­ti­se bei den jähr­li­chen „Hands-on“-Erprobungen, Bun­des­wehr,

Bild: Mar­tin Glin­ker

In einer abschlie­ßen­den prak­ti­schen Pha­se inklu­si­ve Stra­ßen­marsch wur­den alle Aus­bil­dungs­ab­schnit­te zusam­men­ge­bun­den, Sys­te­me in den Fahr­zeu­gen kon­fi­gu­riert und in Test­läu­fen über­prüft.

In einem Fahr­zeug­marsch durch Sach­sen und Thü­rin­gen wur­de das Füh­rungs­sys­tem unter Abstüt­zung auf meh­re­re VHF-Relais­sta­tio­nen getes­tet,

Bild: Bundeswehr/Martin Glin­ker

Fazit: Die Soft­ware-Ver­sio­nen sind prak­ti­ka­bel. Der Misch­be­trieb als tem­po­rä­re Über­brü­ckung bis zur voll­stän­di­gen Digi­ta­li­sie­rung der Trup­pe ist alter­na­tiv­los. Die getes­te­ten Füh­rungs­sys­te­me sind robust, intui­tiv bedien­bar und voll ein­satz­be­reit. „Die­se drei Wochen haben die Mul­ti­na­tio­nal Bri­ga­de Lithua­nia in Bezug auf die Füh­rungs­fä­hig­keit wie­der einen wich­ti­gen Schritt nach vorn gebracht. So konn­ten gute Vor­aus­set­zun­gen für die Bri­ga­de­übung GRAND EAGLE im Übungs­clus­ter QUADRIGA 2025 im Sep­tem­ber geschaf­fen wer­den,“ resü­miert Oberst­leut­nant Bober. 

Für Bri­ga­de­ge­ne­ral David Mar­kus, Kom­man­deur der Pan­zer­gre­na­dier­bri­ga­de 37, ist ein Misch­be­trieb aus ana­lo­gen und digi­ta­len Funk­ge­rä­ten nur eine Über­gangs­lö­sung,

Bild: Bundeswehr/Tom Pel­ka

Um die vol­le Leis­tungs­fä­hig­keit der digi­ta­len Füh­rungs- und Infor­ma­ti­ons­sys­te­me nut­zen zu kön­nen, führt für Bri­ga­de­ge­ne­ral Mar­kus jedoch kein Weg an der schnellst­mög­li­chen Beschaf­fung digi­ta­ler Funk­ge­rä­te vor­bei: „Jedes zusätz­li­che digi­ta­le Funk­ge­rät erhöht die Über­le­bens­fä­hig­keit unse­rer Trup­pe.“

Was unschein­bar wirkt, hat gro­ße Wir­kung: „Die Hands-on“-Erprobung der digi­ta­len Füh­rungs­sys­te­me durch die Pan­zer­gre­na­dier­bri­ga­de 37 ist Bestand­teil der Digi­ta­li­sie­rung Land­ba­sier­ter Ope­ra­tio­nen (D‑LBO),

Bild: Bundeswehr/Marco Dorow
Cir­ca 150 Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten sowie Ver­tre­ter aus Indus­trie und Pro­jekt­orga­ni­sa­ti­on neh­men an der dies­jäh­ri­gen Hands-on-Erpro­bung der Pan­zer­gre­na­dier­bri­ga­de 37 in Fran­ken­berg teil,

Bild: Bundeswehr/Kevin Ebert